In den Sommerferien wollten sich einige Mitglieder der lokalen Amnesty-Gruppe reihum im Garten oder auf der Terrasse zu einem sommerlichen Lesezirkel treffen. Bei Rotwein und Snacks wollten wir es uns gut gehen lassen und ein bisschen über den Horizont der monatlichen Treffen schauen. Varoufakis‘ »Das Euro-Paradox« war im Gespräch, aber auch Hannah Arendts »Über die Revolution«…
Als von Christian Felber »Ethischer Welthandel – Alternativen zu TTIP, WTO & Co.« erschien wurde Gemeinwohl-Ökonomie das Thema und aus den privaten Gartentreffen wurde eine in Zeitung und sozialen Medien beworbene Lesereihe an öffentlichen Orten mit jeweils passend einem anderen thematischen Aspekt der GWÖ …
Das 1. Treffen – literarisch
Mit einem von Barbara Brockamp, Leiterin der Mindener Stadtbibliothek breit ausgestatteten Büchertisch konnten wir das Thema quasi erst einmal »verorten«. Unterstützung hatten wir dabei von Hauke Schneider, der an der Uni Bielefeld eine studentische GWÖ-Hochschulgruppe initiiert hat.
Am großen Tisch im hellen, architektonisch reizvollen Sprachatelier der StaBi lag die Gemeinwohl-Matrix für Kommunen auf dem Tisch. Mit der Frage »Was könnten wir denn schon für unsere Stadt in eine solche Matrix eintragen?« bekam das Thema eine komplette Eigendynamik. Nicht mehr das Buch von Christian Felber stand im Mittelpunkt, sondern das Thema Gemeinwohl und Gemeinwohl-Ökonomie ans sich. Und Teilnehmer·innen aus verschiedenen Stadtquartieren überraschten sich gegenseitig mit Informationen über Initiativen und Projekte, von denen man in einem anderen Viertel ein paar hundert Meter weiter noch nichts mitbekommen hatte. So arbeitete z.B. eine Gruppe an einem Gemeinschaftsgarten in einem öffentlichen, innenstadtnahen Park, von dem niemand von den anderen bisher etwas gehört hatte.
Schon die Fragestellung – das war am Ende ganz deutlich – motiviert und begeistert, sich positiv mit anderen Akteur·innen und deren Anliegen sowie der eigenen Stadt zu beschäftigen.
Das 2. Treffen – kulinarisch
Für das Treffen im Cafe-Restaurant LaCantina hatten wir Placemates und Bierdeckel vorbereitet. Die Inhaberin in der neu eröffneten Bodega hat viele Jahre auf dem Wochenmarkt bei Bioland-Bauer Becker gearbeitet. Ihr unspektakuläres Konzept steht nirgends an der Wand, dafür in der Karte und einfach auf dem Tisch: lokale und wenn möglich biologische Produkte, buchstäblich transparente front cooking-Zubereitung, lokal-bio-faire Getränkekarte, trotzdem bezahlbare Preise … einem solchen Geschäft sieht man an, dass es das Gemeinwohl-Siegel auf Anhieb bekommen könnte.
Thema war – wen wundert’s? – landwirtschaftliche und handwerkliche Lebensmittelerzeugung als Grundpfeiler eines guten Lebens für Alle. Auch hier blieb die Diskussion wieder konkret, praktisch und handlungsorientiert: wen könnten wir dafür gewinnen, bei der GWÖ mitzumachen? Welche Vorteile hätte es für Handel, Gastronomie und Bürger·innen, wenn Minden Gemeinwohl-Kommune wäre?
Das 3. Treffen – global
Am großen Tisch unterm Dach im Welthaus stand dann unter dem Motte »Führerschein für GlobalPlayer?!« das Welthandelskonzept von Christian Felber im Zentrum. Katharina stellte in einer Keynote das »Bermudaquadrat« der Freihandelsdoktrin à la TTIP, CETA und TiSA vor, in dem mittels Negativliste, Sperrklinkenklausel, Investorenschutz und Regulatorischer Kooperation Demokratie und nationale Selbstbestimmung der Völker auf nimmer Wiedersehen verschwinden.
Und dem gegenüber die sechs Eckpunkte für Ethischen Welthandel von Christian Felber:
- Zollschutz gegen Ethikdumping
- Ungleichbehandlung armer und reicher Länder
- ausgeglichene nationale Handelsbilanzen
- »lokal vor global« – Ökonomische Subsidiarität
- Politisches Tanzkleid statt der neoliberalen »goldenen Zwangsjacke«
- Wachstumsgrenze und »Führerschein« für Global Player
Am Ende waren sich alle einig: in Minden wird es eine Projektgruppe für Gemeinwohl-Ökonomie und Ethischen Welthandel geben und die Auftaktveranstaltung auf den 10. Oktober festgelegt. StaBi, VHS und das Referat für gesellschaftliche Verantwortung nahmen die Einladung als Mitveranstalter gerne an.